Ein paar Zeilen zum nachdenken, spüren, freuen!

Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried

"Es gibt immer einen Weg"
Es gibt immer einen Weg, immer
es gibt immer, immer einen Weg
Es gibt immer einen Weg, immer
es gibt immer, immer einen Weg
Er ist genug für mich,
ich bin gut genug für ihn,
in mir ist die Kraft
diesen Weg zu gehen.
Er ist gut genug für mich,
ich bin gut genug für ihn
ich bin richtig, so wie ich jetzt bin!

Text von Joachim, gesungen von Iria


Morgenwonne
Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich "Euer Gnaden".

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.

Joachim Ringelnatz

Der Narr
Du fragst mich, wie ich zum Narren wurde?
Das geschah so:
Eines Tages, lange bevor die vielen Götter geboren waren, erwachte ich aus einem tiefen Schlaf und gewahrte, dass meine Masken gestohlen worden waren - die sieben Masken, welche ich in sieben Leben verfertigt und getragen hatte.
Unmaskiert rannte ich durch die vollen Straßen und schrie: "Diebe, Diebe, die verdammten Diebe!"
Männer und Frauen lachten.
Einige liefen aus Angst vor mir in ihre Häuser.
Als ich zum Marktplatz kam, rief ein Junge von einem Hausdach: "Er ist ein Narr!"
Ich blickte empor, um ihn zu sehen: da küsste die Sonne erstmals mein bloßes Antlitz.
Zum ersten Mal küsste sie mein bloßes Antlitz, und meine Seele entflammte in Liebe zu ihr, und ich wünschte mir keine Masken mehr.
Wie in Trance rief ich: "Segen, Segen über die Diebe, die meine Masken gestohlen!"
So wurde ich zum Narren.
Und in meiner Narrheit fand ich Freiheit und Sicherheit: die Freiheit der Einsamkeit und die Sicherheit vor dem Verstanden werden.
Denn diejenigen, welche uns verstehen, versklaven etwas in uns.

(aus Khalil Gibran: Der Narr)

Wer Schmetterlinge lachen hört
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.

Er weiß, dass er nichts weiß,
wie alle andern auch nichts wissen,
nur weiß er was die anderen
und er noch lernen müssen.

Wer in sich fremde Ufer spürt,
und Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich ungestört,
von Furcht sich selbst entdecken.

Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst blickt er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt,
nimmt er gelassen auf.

Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben,
und ist selbst dann lebendiger,
als alle seine Erben.

Text: Carlo Karges
Musik: Novalis
Liedtext der Rockgruppe Novalis in Reminiszenz an Friedriech Freiherr von Hardenberg alias Novalis, (1772-1801) als Interpretation seines Gedichts "Es färbte sich die Wiese grün"

Engel

Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...

Aus: Frühe Gedichte (Engellieder) Rainer Maria Rilke

STUFEN

Wie jede Blüte welkt
und jede Jugend dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and're, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,
so droht Erschlaffen!
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

(Hermann Hesse)

Als ich mich selbst zu lieben begann…
habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort binund dass alles, was geschieht, richtig ist – von da an konnte ich ruhig sein.
Heute weiß ich: Das nennt man SELBST-BEWUSST-SEIN
Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich: Das nennt man AUTHENTISCH SEIN
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden, wie sehr es jemand beleidigen kann, wenn ich versuche, diesem Menschen meine Wünsche aufzudrücken, obwohl ich wusste, dass die Zeit nicht reif war und der Mensch nicht bereit, und auch wenn ich selbst dieser Mensch war.
Heute weiß ich: Das nennt man RESPEKT
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Einladung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man REIFE
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben, und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen. Heute mache ich nur das, was mir Freude und Glück bringt, was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem eigenen Rhythmus.
Heute weiß ich, das nennt man EINFACHHEIT
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich das „Gesunden Egoismus“,
aber heute weiß ich, das ist SELBSTLIEBE
Als ich mich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen, so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man BESCHEIDENHEIT
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben und mich um meine Zukunft zu sorgen. Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag, Tag für Tag, und nenne es BEWUSSTHEIT
Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken behindern und krank machen kann. Als ich mich jedoch mit meinem Herzen verband, bekam der Verstand einen wertvollen Verbündeten.
Diese Verbindung nenne ich heute HERZENSWEISHEIT
Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen, Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten, denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich: DAS IST DAS LEBEN !
Charlie Chaplin an seinem 70. Geburtstag am 16. April 1959

An jenem Tage,
der kein Tag mehr ist,
vielleicht wird er sagen:
Was tretet ihr an mit euren Körben voller Verdienste,
die klein sind wie Haselnüsse und meistens hohl?
Was wollt ihr, mit euren Taschen voller Tugenden, zu denen ihr gekommen seid aus Mangel an Mut, weil euch Gelegenheit fehlte oder durch perfekte Dressur?
Habe ich euch davon nicht befreit?
Wissen will ich:
Habt ihr die anderen angesteckt mit Leben?

Joachim Dachsel

Autobiographie in fünf Kapiteln

1.) Ich gehe eine Straße entlang
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich falle hinein.
Ich bin verloren… ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder heraus zu kommen.

2.) Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich tue so, als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.

3.) Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe es.
Ich falle immer noch hinein … aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine eigene Schuld.
Ich komme sofort heraus.

4.) Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich gehe darum herum.

5.) Ich gehe eine andere Straße.

Wir haben die schwere Prüfung des Winters überstanden,
den Hunger, die Winde,
den Schmerz und die Krankheit,
und weitergelebt.

Wir trauern um die Großeltern,
Eltern, Kinder und Geliebten,
die von uns gegangen sind.

Aufs Neue werden wir den Schnee schmelzen sehen,
die strömenden Säfte schmecken,
die knospenden Saaten berühren,
die aufspringenden Blüten riechen,
die Erneuerung des Lebens erfahren.

Dankgebet der Ojibwa

Seit Jahr und Tag
der Zeit nur hinterher gelaufen,
bis Sie wie angewurzelt stehen blieb,
im Monat Mai auf einem Bahnhofsklo.
Dort diesen Satz entdeckt:
„Wer schneller lebt ist eher fertig.“
Noch nie so langsam
meine Hose hochgezogen
und in der Mittagssonne
seelenruhig den Zug verpasst.

(Diese Zeilen habe ich bei einer Kollegin auf der Toilette entdeckt.)

Das Lied von der Anderwelt
Es gibt einen See in der Anderwelt,
drin sind alle Tränen vereint,
die irgend jemand hätt` weinen sollen und hat sie nicht geweint.

Es gibt ein Tal in der Anderwelt,
da gehen die Gelächter um,
die irgend jemand hätt` lachen sollen und blieb statt dessen stumm.

Es gibt ein Haus in der Anderwelt,
da wohnen wie Kinder beinand`
Gedanken, die wir hätten denken sollen
Und waren`s nicht imstand.

Und Blumen blühn in der Anderwelt,
die sind aus der Liebe gemacht,
die wir uns hätten geben sollen
und haben`s nicht vollbracht.

Und kommen wir einst in die Anderwelt,
viel dunkles wird sonnenklar,
denn alles wartet dort auf uns,
was hier nicht möglich war.

Michael Ende

Lady Whisky
Sonntagnachmittag, draußen Regen
Langeweile, und es wurde immer schlimmer
Während die anderen saßen
Und Kuchen fraßen nebenan im Flimmerkastenzimmer
Er war 16 Jahre alt
Und zum Abendbrot präsentierte Köpke
Zwischen Käse und Kakao
Katastrophen, Krieg und Krisen
Und diese ganze blöde Welt in der Tagesschau.
Und er hatte genug von alledem
Und er ging in die Kneipe und ballerte sich zu
Und die Wirtin sagte: “Na, du süßer Bengel du?“
Und er war der blaue Engel
Und er goss sich einen rein
Diese Welt kann doch trotzdem
So unbeschreiblich schön sein!
Und mit der hochprozentigen Braut
Wurde er bekannt
Die er wahnsinnig berauschend
Und am nächsten Morgen zum kotzen fand
Lady Whisky, sie hat so schöne braune Augen
Brauchst nur auszusaugen!
All die Jahre hindurch, wenn er traurig war
War sie immer für ihn da
Wenn die Welt so höllisch
Und der Himmel verschlossen
Und der liebe Gott mal wieder auf ferner Reise war
Aber auch, wenn es ihm gut ging
Sie war immer dabei
Und gab ihm ihre nassen scharfen Küsse
Und die Sonne ging auf, und sein Kopf ging unter
Und langsam ertrank er in der Alkohol - Pfütze
Und dann ganz tief in der Grütze
Merkte er: „Die bringt mich ja um!
Sie hat mich belogen und betrogen
Nein ich bin nicht mehr dein blauer Engel
Ich will mich von dir befreien!
Dass du mich beinah gekillt hast
Das werde ich dir nie verzeihen!
Ich guck morgens in den Spiegel
Meine Augen stumpf und rot
Lady Whisky, du falsche Schlange
Du sprichst vom Leben
Und machst mich langsam tot.“

(unbekannter Dichter)

Desiderata
Gehe gelassen inmitten von Lärm und Hast
und denke daran, wie ruhig es sein kann in der Stille.
So weit als möglich, ohne Dich aufzugeben, sei auf gutem Fuß mit jedermann.
Das, was Du zu sagen hast, sprich ruhig und klar aus
und höre andere an, auch wenn sie langweilig oder töricht sind,
denn auch sie haben an ihrem Schicksal zu tragen.
Meide die Lauten und Streitsüchtigen, sie verwirren den Geist.
Vergleichst Du Dich mit anderen, kannst Du hochmütig oder verbittert werden,
denn immer wird es Menschen geben, die bedeutender und besser sind als Du.
Erfreue Dich am Erreichten und an Deinen Plänen.
Bemühe Dich um Deinen eigenen Beruf, wie bescheiden er auch sein mag;
er ist ein fester Besitz im Wechsel der Zeit.
Sei vorsichtig bei Deinen Geschäften, denn die Welt ist voller Betrüger.
Aber lass deswegen das Gute nicht aus den Augen,
denn Tugend ist auch vorhanden.
Viele streben nach Idealen, und überall im Leben gibt es Helden.
Sei Du selbst.
Täusche vor allem keine falschen Gefühle vor.
Sei auch nicht zynisch, wenn es um Liebe geht, denn trotz aller Öde und Enttäuschung verdorrt sie nicht, sondern wächst weiter wie Gras.
Höre freundlich auf den Ratschlag des Alters und verzichte mit Anmut
auf Dinge der Jugend.
Stärke die Kräfte Deines Geistes, um Dich bei plötzlichem Unglück
dadurch zu schützen.
Quäle Dich nicht mit Wahnbildern.
Viele Ängste werden durch Müdigkeit und Einsamkeit geweckt.
Bei aller angemessenen Disziplin, sei freundlich mit Dir selbst.
Genau wie Bäume und Sterne, so bist Du ein Kind der Schöpfung.
Du hast ein Recht auf Deine Existenz.
Und auch wenn Du das nicht verstehst, entfaltet sich die Welt
gewiss nach "Gottes" Plan.
Bleibe also im Frieden mit "Gott", was auch immer er für Dich bedeutet
und was immer Deine Sehnsüchte und Mühen
in der lärmenden Verworrenheit des Lebens seien -
bewahre den Frieden in Deiner Seele.
Bei allen Enttäuschungen, Plackereien und zerronnenen Träumen
ist es dennoch eine schöne Welt.
Sei vorsichtig.
Strebe danach glücklich zu sein.
(Max Ehrmann, deutsch-amerikanischer Dichter, 1872-1945)